Forschungsschwerpunkt Visuelle, materielle, mediale und digitale Kultur


Aktuelle Forschungsprojekte


Abgeschlossene Forschungsprojekte

Kooperation mit der HGK der FHNW (Michael Renner, Professur für Visuelle Kommunikation)

Wissenschaftliche Projektleitung: Ina Dietzsch

Mitarbeiterinnen: Susanne Käser, Silvia Balzan, Aylin Yildirim Tschoepe  

Projekt in der Forschungsdatenbank

Dieses Projekt agiert im Rahmen eines Netzwerkes aus Architektur, Bilddesign, Stadt- und Designanthropologie. Im Zusammenhang mit Stadtentwicklungsprozessen in Basel wird der Frage nachgegangen, wie sich mit den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen Veränderungen in Bezug auf Kulturtechniken ergeben und welche neuen Spielräume für Kommunikationspraxis sich dabei eröffnen. Die designanthropologische Perspektive des Projektes fokussiert vor allem auf die Offenheit und partielle Unbestimmtheit von Visualisierungen, die dazu auffordern Bedeutungen zu interpretieren und zu verhandeln. Im Vordergrund steht die Praxis, in der Bilder entstehen und eine Bedeutung bekommen. Visualisierungen unterschiedlichster Art werden dabei als Aushandlungsraum – Sehen, Produzieren, Deuten, Verändern als komplexe intersubjektive Vorgänge sowie als variable und hochselektive Weisen der Welterschliessung verstanden.

Digital Lives

Digital Lives

Projektleitung: Walter Leimgruber
Koordination: Ina Dietzsch

Projekt in der Forschungsdatenbank

Die Landwirtschaft durchläuft gegenwärtig mit ihrer Digitalisierung massive Veränderungen, bei denen sich das Verhältnis zwischen Menschen, nicht-menschlichen Lebewesen und Technologien dramatisch verändert. 

Inhalt und Ziel des Projekts: Vorstellungen von Landwirtschaft in der Schweiz sind romantisiert. Vorherrschend ist das Bild eines längst unrentablen, musealen Wirtschaftens. Doch digitale Technologien sind gegenwärtig dabei, auch in der Landwirtschaft gesellschaftliche Naturverhältnisse radikal zu verändern. Mit dem digitalen Leben in der Landwirtschaft wird das Projekt ein komplexes und dynamisches Geflecht untersuchen, in dem vielfältige Akteure Beziehungen miteinander eingehen: Maschinen, Reglemente, Menschen, Wissen, Infrastrukturen, Interfaces, Daten, Pflanzen, Tiere, Abfall, Erde, Umwelt. Wo und wann wird dabei programmiert, gerechnet und digitale Technologie eingesetzt? Wo wird verdatet, verhandelt und verschaltet? Wie verändert sich die Beziehung der Bauern und Bäuerinnen zu Tieren und Pflanzen, wenn eine Datencloud zwischen sie tritt? Was geschieht dadurch mit der Trennung zwischen Natürlichem und Künstlichem in Bezug auf Wissen, Vorstellungen und Selbstverständlichkeiten von Leben? 

Wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kontext: Das Projekt führt eine auf soziale Praxis orientierte Feldforschung durch, die detailliert untersucht, wo das Digitale auf einem Bauernhof aufzufinden ist. Es versteht sich als anthropologische Erforschung von „Leben“ mit Schwerpunkt auf dem Verhältnis zwischen Menschen, nicht-menschlichen Lebewesen und digitaler Technologie. 

Personen: Christina Besmer, MA und PD Ina Dietzsch

Projekt in der Forschungsdatenbank

„Medienwelten und Alltagsurbanität“ beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Medienpraxen und alltäglichem städtischen Leben. Wir gehen davon aus, dass städtischer Alltag von den verschiedensten Medientechnologien durchdrungen ist und Medien die Art, wie Stadt gedacht, gemacht und gelebt wird, beeinflussen. 
Städte entstehen durch Zuwanderung – sei es vom Land oder über nationale Grenzen hinweg, und der städtische Alltag ist geprägt von Mobilität – sei es durch Pendelbewegungen in die und aus der Stadt, innerstädtische Mobilität oder das Zusammentreffen von sesshaften und mobilen Bewohner_innen. Besonders interessiert uns die damit verbundene Transkulturalisierung urbaner Räume: Infolge einer Intensivierung und Diversifizierung von Mobilitäten zeichnet sich städtischer Alltag heute mehr denn je durch eine Vielfalt transkultureller Zugehörigkeiten, Alltagspraxen und Medienwelten aus. Vor diesem Hintergrund erforschen wir, wie eine wachsende kulturelle Diversität der Quartierbevölkerung sowie eine Globalisierung medialer Angebote Stadtquartiere und deren Kommunikationsstrukturen verändern. 

Schlüsselbegriffe: Medialität, Migration, Urbanität, Raumforschung, Transkulturalisierung, Super-Diversität

Laufzeit: 1.1.2013 – 31.5.2016

Finanzierung: SNF

Methoden: öffentliche Anthropologie, Medienethnografie, Wahrnehmungsspaziergänge, Medientagebücher, mental maps, qualitative Interviews

Beate Weinhold

Betreuer: Prof. Dr. em. Jacques Picard

Projekt in der Forschungsdatenbank

Die Dissertation von Beate Weinhold zum Umgang mit "Heiligem". Eine Untersuchung der Lehren und Praxen von monotheistischen Religionen mit materiellen Kulturgütern widmet sich einem aktuellen Problem an der Schnittstelle von Kulturanthropologie, Volkskunde und Religionswissenschaft sowie Judaistik. Ein besonderes Merkmal von Religion als Paradigma umfassender Wirklichkeitsbetrachtung und -bewältigung ist es, dass sie die dem Menschen zugängliche Wirklichkeit als von einer anderen Wirklichkeit getragen erfährt, die sich als Geheimnis und Heiliges, als Transzendentes und Unfassbares und gegenüber dem menschlichen Zugriff Unverfügbares kundtut. Die der Wirklichkeit des Heiligen entsprechende Grundhaltung des homo religiosus ist die der Ehrfurcht, der Verehrung, der Bundestreue und der religiösen Scheu. Für diese Ambivalenz religiöser Erfahrung stehen Begriffe wie das „Numinose“ und das als „Mysterium fascinosum“ und „Mysterium tremendum“ Bezeichnete. Wie nun aber in säkularen Gesellschaften ein kultureller Umgang gefunden wird, um mit dem "Heiligen" in Gestalt von Büchern, Gegenständen, Räumen oder Riten als materielle und immatrielle Güter zurecht zu kommen, steht im Zentrum der Dissertation. Dies soll an Beispielen untersucht werden, so u.a. an heute verlassenen Synagogen und Genisafunden, die in Deutschland geborgen und inventarisiert wurden. Generell fragt die Untersuchung indes auch nach dem Umgang mit solchen Artefakten in den Religionen selbst. Wie wird mit nicht mehr benutzten/benutzbaren Gegenständen umgegangen? Gibt es religionsübergreifende Invarianten, beziehungsweise Differenzen hinsichtlich der Ablagepraxis? Existieren in den offiziellen Lehren und Praxen der einzelnen Religionen spezielle Verhaltensnormen für den Umgang mit diesen Objekten? Hat die Volksfrömmigkeit der jeweiligen Religion unabhängig von der Existenz oder Nichtexistenz normativer Regelwerke einen eigenen Verhaltenskodex im Umgang mit heiligen Dingen entwickelt?

Daniel Kunzelmann 

Betreuer: Prof Dr. em. Jacques PicardProf. Dr. Johannes Moser

Projekt in der Forschungsdatenbank

Hard- und Softwaretechnologien dringen immer tiefer in unsere Lebenswelt ein. Die soziale Vernetzung entlang digitaler Infrastrukturen generiert besondere Kommunikationsräume, die wir als „online-offline“ oder „hybrid“ bezeichnen können. Welche Folgen haben diese neuartigen sozio-technologischen Felder des Politischen für unsere Demokratie? Meine Forschung analysiert diesen „politischen Cyberspace“, die sich verändernden Handlungspraxen der Akteure und die Auswirkungen auf institutionell tief verwurzelte gesellschaftliche Werte jeweils exemplarisch auf lokaler Ebene: in Deutschland, Spanien und Israel. 

Wie reorganisiert sich demokratisches Handeln in Zeiten des digitalen Wandels? Das ist die forschungsleitende Frage dieser Arbeit. Um eine empirisch fundierte Antwort darauf zu geben, werden drei konkrete sozio-technologische Felder des Politischen an drei lokalen europäischen Schauplätzen on- und offline analysiert. Ob traditionelle demokratische Parteipolitik, partizipatorische Öffnung von Verwaltungen („Open Government“) oder basisdemokratischer Graswurzel-Aktivismus: Die digitalen Infrastrukturen und die damit verbundene soziale Vernetzung generieren neuartige Kommunikationsräume in einer Vielzahl politischer Felder. Ziel der Forschung ist es deswegen, mit Hilfe qualitativ sozialwissenschaftlicher Methoden ein möglichst breites Spektrum cyberpolitischer Handlungspraxen zu untersuchen, um Grenzen, Widersprüche und Potenziale vernetzten politischen Handelns in zunehmend digitalisierten demokratischen Gesellschaften als kulturelles Phänomen besser zu verstehen.

  • In Deutschland wird das hybride online-offline Aushandeln von Politik am Beispiel einer politischen Partei erforscht; das ethnographische Feld liefert die Piratenpartei in München.

  • In Spanien werden die cyberpolitischen Praxen im Netz und mit Hilfe von Netztechnologien innerhalb einer politischen Bewegung untersucht: die „Democracia real YA“ in Murcia.

  • Und in Israel liegt der Fokus auf dem Entstehen und Wirken eines digital vernetzten öffentlichen Raumes in der Stadtpolitik: „City for All“ in Tel Aviv.

    Der Mangel an ethnographischen Studien zu diesem Themenkomplex legt ein Grounded-theory basiertes Forschungsdesign nahe (vgl. Corbin/Glaser/Strauss), das einen spannenden Einblick in gesellschaftspolitisch und demokratietheoretisch relevante Phänomene unserer Zeit ermöglichen dürfte. Kulturanthropologisch gilt es zu verstehen, welche politische Kultur in Feldern entsteht, in denen sich digital vernetzte Individuen explizit das Ziel gesetzt haben, das Denken von und Handeln in Demokratie gemeinsam neu zu gestalten. Wie verändern sich Stil, Sprache und Performanz des Politischen? Inwiefern transformieren die symbolisch-materiellen Technologien (Hard- und Software) die sozialen Beziehungen politischer Akteure? Wie werden demokratische Werte und Normen entlang cybertechnologischer Infrastrukturen kulturell ausgehandelt? Wie Teilhabe, Repräsentation oder Mitbestim- mung in der Praxis neu verhandelt? Lassen sich alternative direktdemokratische Formen der Interessenregulierung beobachten? Ermöglichen digitale Technologien überhaupt eine „Kultur“ nachhaltiger politischer Entscheidungen?

Bereits dieser Fragekomplex macht deutlich: In den drei zu untersuchenden Feldern geht es nicht um Technologie-an-sich, sondern um deren Anwendung in der politischen Alltagspraxis als Technikkulturen und Kulturtechniken – um das techno- logisch-demokratische Aushandeln sozialer Wirklichkeit. Kulturelle Werte wie...

  • Transparenz (z.B. von Entscheidungsprozessen),

  • Macht (z.B. bindende Entscheidungen zu treffen),

  • Öffentlichkeit (z.B. als Instrument demokratischer Kontrolle),

  • Anonymität (z.B. bei geheimen Wahlen)

  • oder Privatheit (z.B. in Form informationeller Selbstbestimmung)

    ... dürften in den drei empirischen Fällen nicht nur eine jeweils neuartige kultur- technische Prägung aufweisen, als politische Werte stehen sie stets auch in einem potentiellen Widerspruch zueinander. Definiert man Politik ganz allgemein als ein Spannungsverhältnis aus Konflikt und Konsens und versteht man politische Kultur konzeptionell als einen historisch-konkreten Modus der Praxis, der letztlich unvermeidliche Wert-Widersprüche auf eine je spezifische Art und Weise symbolisch und materiell organisiert (z.B. das Verhältnis von Transparenz und Anonymität), dann wird deutlich, dass es im Dissertationsprojekt keineswegs nur um die positiven Potentiale digitaler Technologien gehen kann. Es gilt auch zu untersuchen, inwiefern cyberpolitische Praxen die dominierende politische Kultur im jeweiligen Fallbeispiel herausfordern: durchaus konfliktreich, bisweilen fundamental? Welche Spannungen und Widersprüche entstehen unter den im öffentlich-politischen Raum versammelten Menschen, wenn diese neuartigen sozio-technologischen Praxen auf bisher dominierende, institutionell tief verwurzelte demokratische Handlungsmuster treffen? Und welche kreativen Strategien existieren, um das Aufeinanderprallen unterschied- licher kultureller Sinnlogiken im politischen Alltag zu bewältigen?

    Mein Forschungsvorhaben stellt folglich die Frage nach den gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Dynamiken digitaler Kommunikationstechnologien: Wie wird Demokratie in Zeiten des digitalen Wandels (re-)organisiert und wie sind Menschen als handelnde Subjekte in diese Transformationsprozesse einbezogen bzw. davon betroffen?