Forschungsschwerpunkt Museum, Erinnerungs- und Erzählforschung


Aktuelle Forschungsprojekte


Abgeschlossene Forschungsprojekte

Projektleitung: Nicole Peduzzi

Die erste Phase des SGV-Fotoprojektes ist nach vier Jahren intensiver Bearbeitungszeit abgeschlossen. Mehr als 100‘000 fotografische Objekte aus 16 verschiedenen Sammlungen sind seit dem 1. Februar 2018 auf der eigens dafür konzipierten Internet-Plattform zugänglich (archiv.sgv-sstp.ch).

Personen: Dr. Karoline Oehme-Jüngling, Dr. des. Fanny Gutsche, Dr. des. Patricia Jäggi

Projekt in der Forschungsdatenbank

Das Forschungsprojekt untersucht die Konstruktion und Vermittlung von "Swissness" mittels (Volks-)Musik. Im Zentrum des Forschungsprojekts steht die "Sammlung Dür" – ein zwischen 1957 und 1967 vom Musikwissenschaftler Fritz Dür im Auftrag von Schweizer Radio International (SRI) als musikalische Visitenkarte der Schweiz zusammengestelltes Konvolut von zirka 8.000 Tonbändern mit "Schweizer Volksmusik", das 1987 in die Schweizer Nationalbibliothek überführt wurde. Die Leitfrage des gesamten Projektes ist diejenige, wie und vor welchen gesellschaftlichen wie institutionellen Hintergründen sich volksmusikalisches Schaffen mit der Institution Rundfunk zu einer wirkmächtigen Stimme zur Verbreitung von – klingender – Swissness etablieren konnte. 

Das Projekt ist interdisziplinär angelegt und untersucht die klingende Dimension von populärer Kultur von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart aus musikforschender und aus kulturanthropologischer bzw. ethnomusikologischer Perspektive. Der analytische Zugriff auf das von allen Projekten gemeinsam bearbeitete Material orientiert sich an der Frage nach der akustischen Konstruktion einer "Stimme der Schweiz" – durch die Fixierung auf Tonträgern, was gleichzeitig stilbildend wirkte, durch die Zusammenstellung zu einem nachhaltig und während längerer Zeit genutzten Klang-Korpus, was zugleich kanonisierend wirkte und schliesslich durch die Vermittlung über das Hörmedium Rundfunk, was die Bildung einer eingängigen Vorstellung von akustischer Swissness anregte. Drei eng miteinander verzahnte Teilprojekte an drei Schweizer Hochschulen erforschen diese Verhandlungen um "Volksmusik" im Rundfunk: Teilprojekt A) an der Hochschule Luzern/Departement Musik analysiert die Volksmusikszene der 1950er und -60er Jahre und aus musikforschender Perspektive die klanglich-musikalische Seite des Repertoires. Das kulturanthropologische Projekt B) am Institut für Populäre Kulturen der Universität Zürich untersucht die institutionelle Seite der Entstehung wie der Überlieferung und des „Überlebens“ der Sammlung Dür in ihren sozialen, kulturellen, politischen und ideengeschichtlichen Kontexten sowie die akustische Repräsentation von Swissness. Teilprojekt C) am Seminar für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie der Universität Basel untersucht aus ethnomusikologischer Perspektive die Nutzungen der Sammlung und ihre Rezeption als "Stimme der Schweiz" im In- und Ausland. 
Die Sammlung Dür wurde unter der Vorgabe von SRI, die "Stimme der Schweiz" zu sein, durch den Leiter der Sonothek Fritz Dür aus den Beständen der einzelnen Radiostudios wie durch "Live-Aufnahmen" in der ganzen Schweiz zusammengetragen. Sie wurde von den 1960er bis in die 1990er Jahre für den inländischen (Telefonrundspruch) und namentlich den ausländischen Sendebetrieb, aber auch für weitere Zwecke, u. a. für die SRI-Musikedition "Musica Helvetica", genutzt. Der Bestand (sowohl was die Musik- als auch was konventionelle Archivalien betrifft) bildet die zentrale Materialbasis des Projekts und ermöglicht die Bearbeitung der drei aufeinander abgestimmten Forschungsfragen und -perspektiven. Der Synergieeffekt von "Broadcasting Swissness" liegt denn auch genau darin, Klänge/Musik nicht entweder um die sinnlich-akustische oder aber um ihre soziokulturelle Kontexteinbettung reduziert zu erforschen, sondern unter musikalisch-performativen, ebenso wie institutionspolitischen und rezeptionsästhetischen Gesichtspunkten zu untersuchen. Damit trägt das Projekt nicht nur zur Analyse eines bisher ungeschriebenen Kapitels der Geschichte der traditionellen populären Musik in ihrem Einlassen auf die „Kulturindustrie“ sowie zur kritischen Auseinandersetzung mit der akustischen, institutionell forcierten Konstruktion von "Swissness" bei, sondern nimmt zugleich auch die Herausforderungen einer modernen, disziplinenübergreifenden Kulturwissenschaft auf. Nicht zuletzt werden die Ergebnisse des Projekts nicht nur in den üblichen wissenschaftlichen Formaten, sondern auch in nicht-diskursiven Formen vermittelt: unter anderem durch eine Hörplattform, eine Notenpublikation, insbesondere aber auch durch die Zugänglichkeit über die Hörstationen der Nationalphonothek und die Aufnahme der digitalisierten Sammlung in der Memoriav-Online-Datenbank "Memobase" wie durch eine Medienpartnerschaft mit der SRG, womit die Forschungsergebnisse in auch unterschiedlich aufbereiteter Form einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 

Laufzeit: 1.12.2012 - 30.11.2015

Finanzierung: SNF

Personen: Dr. Silke Andris, Miriam Cohn

Projekt in der Forschungsdatenbank

Claudia Willms

Betreuer der Cotutelles-de-thèse: Prof. Dr. Jacques Picard, Prof. Dr. Eberhard Wolff (Universität Basel), Prof. Dr. Klaus Lichtblau und Dr. habil. Peter Gostmann (Frankfurt a.M.)

Projekt in der Forschungsdatenbank

Die Dissertation beschäftigt sich mit den deutsch-jüdischen Identitätskonstruktionen des Soziologen und Nationalökonomen Franz Oppenheimer, der als Begründer des Liberalen Sozialismus, als Theoretiker der Siedlungsgenossenschaft, als Doktorvater von Ludwig Erhard und als Zionist der ersten Generation bekannt geworden ist. 

Der Arbeit liegt die Methodik der biographischen Einzelfallanalyse zugrunde, wodurch - soweit möglich - die Integrität des historischen Subjekts gewahrt bleibt. Es wird eine chronologische Darstellung vorgenommen und darin alle in Bezug auf die Fragestellung relevanten Quellen (bspw. die Memoiren des Vaters, eine frühe Dichtung, der Antisemitismus in Oppenheimers Burschenschaft, die Hinwendung zum Sozialismus, der Text über Jüdische Siedlungen, Korrespondenz mit Zionisten, das Komitee für den Osten, die politischen Pläne zur Agrarreform, die Reaktion auf das Erstarken der Nationalsozialisten und die Auswanderungsbemühungen) dargestellt und aufeinander aufbauend analysiert. Durch die biographische Perspektive entsteht somit ein Überblick über die sozialen Netzwerke, historischen Strukturen und theoretischen Differenzen jener Zeit(en).

In der Dissertation wird sowohl das eigensinnige Theoriewerk als auch der öffentlichen Beitrag, den Franz Oppenheimer für die deutsche Gesellschaft und die jüdische Gemeinschaft geleistet hat, gewürdigt. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Frage, wie es Oppenheimer gelungen ist, das Spannungsverhältnis der von ihm betonten „Konfessionslosigkeit“ einerseits und der gleichermaßen von ihm hervorgehobenen „Stammeszugehörigkeit“ andererseits produktiv zu machen. Oppenheimer ist, so argumentiert der Text, als einer der Pioniere von Mehrfachzugehörigkeit zu verstehen: einem Identitätstypus, der sich erst unter den Bedingungen der Moderne entfalten konnte.

Leonie Häsler 

Betreuung der Dissertation: Prof. Dr. Walter Leimgruber, Prof. Dr. Markus Krajewski, Prof. Dr. Claudia Mareis

Beschreibung des Forschungsprojekts 

Die Dissertation von Leonie Häsler (Universität Basel/Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW) untersucht den Entwurfs- und Produktionsprozess in der Textil- und Bekleidungsindustrie und verortet sich zwischen Designgeschichte, Medienwissenschaft und materieller Kultur.

Der Entwurfsbegriff hat sich in den letzten Jahren zunehmend von dem Design- und Architekturkontext gelöst. So lässt sich beobachten, dass Verfahren des Entwerfens, Modellierens, Konstruierens und Improvisierens auch jenseits der Designpraxis und -forschung auf grosses epistemologisches und methodologisches Interesse stossen.

Bereiche der Wissenschaftsgeschichte und Medientheorie verstehen das Entwerfen und die damit einhergehenden Materialien, (Medien-)Techniken und Werkzeugnutzungen als konstitutiv bei der Erkenntnisproduktion. Anders ausgedrückt: der Aufzeichnungsakt – physisch oder digital –, exterritorialisiert Wissen nicht lediglich, sondern bringt es überhaupt erst hervor. Entwerfen ist gleichermassen Kulturtechnik und epistemische Praxis. Das Dissertationsprojekt greift diesen Diskurs auf, rückt ihn jedoch wieder in den industriellen Kontext.

Die Arbeit gründet auf Archivquellen der ehemaligen Schweizer Strickereifabrik „HANRO“, anhand derer erstens beantwortet werden soll, welchen Logiken und Parametern das industrielle, auf Serienproduktion ausgerichtete Entwerfen folgt. Dies wirft Fragen zum Verhältnis von Kreativität, Mathematik und Technologie auf. Wie transformiert sich das Verständnis des Entwurfs im Fabrikgefüge?

Zweitens fragt das Projekt retrospektiv, wie sich der ephemere Entwurfsprozess im Archiv materialisiert. Dies betrifft einerseits die Zeit, als Hanro noch aktiv produziert und archiviert hat. Welchen Stellenwert nimmt die Dokumentation und Archivierung der Entwurfsunterlagen ein im Vergleich zum Werbe-, Presse- und Verwaltungsarchiv? Andererseits interessiert sich die Arbeit für die Bedeutungsverschiebungen des Archivs als Gedächtnisort, das sich inzwischen in Hand eines Museums befindet.

Jedes Kapitel ist nicht nur mit einem Raum innerhalb der Fabrik verknüpft, den der Entwurf durchlaufen hat, es zeigt auch die Perspektive der meist weiblichen Mitarbeiterinnen, die am Entwurf beteiligt waren. Interviews mit ehemaligen Angestellten bilden hierfür die empirische Grundlage.

Ziel der Arbeit ist eine Archäologie des industriellen Entwerfens, die sowohl eine Genealogie des Entwurfsprozesses beschreibt als auch die Materialität und Medialität des Archivs in Augenschein nimmt.

lic. phil. Mario A. Cavallaro

Betreuer: Prof. Dr. Jacques Picard, Prof. Dr. Klaus Schriewer

Projekt in der Forschungsdatenbank

Um Hafenstädte ranken sich viele Mythen. So werden sie gerne als „Tore zur Welt“ oder als kosmopolitisch, aber auch als Zentren der Sünden oder als ein Teil Ausland im eigenen Land bezeichnet. Die dem Meer exponierte Lage und ihre Position zwischen dem terrestrischen und maritimen Raum trägt ebenso dazu bei, dass solche Erzählungen um Hafenstädte entstehen und sich weiterentwickeln. Dies spiegelt sich im kulturellen Verständnis und im Auftritt der jeweiligen Hafenstadt wider.
Es entsteht eine immerwährende Erzählung bzw. Verfassung des Mythos der Hafenstadt, die ihrer jeweiligen Zeit und den jeweiligen urbanen Bedürfnissen angepasst ist: die Mythographie.
Ganz in diesem Sinne präsentiert sich Genova mal als das Tor nach Europa, mal als das Tor zum Mittelmeer. Je nachdem, welcher Brand verfolgt wird, wird der eine oder andere Raum und die eine oder andere Geschichte betont. Ziel ist es die Mythographie dieser Hafenstadt im Rahmen einer Grossveranstaltung zu erfassen, um die diversen unsichtbaren Prozesse der gesellschaftlichen urbanen Mythenschreibung sichtbar zu machen. Dies erfordert eine Forschung, bei der verschiedene Kategorien intensiv aufeinander Bezug nehmen.
Mit Genova wurde eine Stadt für dieses Projekt gewählt, in welcher sich unterschiedliche Räume treffen und diese mit verschiedenen historischen Ereignissen in Verbindung gebracht werden. Damit entsteht ein Konstrukt, welches in das Narrativ und somit in den jeweils aktuellen Mythos der Stadt hineinfliesst, wie dies beim City-Branding der Fall ist.
2015 wird in Milano die Expo stattfinden. Zu diesem Anlass wurde eine Stadtpartnerschaft mit Genova eingegangen. Dabei wird sich Genova – je nach Kontext – als das Tor zum Mittelmeer oder als der Hafen der Expo präsentieren. Um die kulturelle Lage der Hafenststadt einzurahmen, wird hier untersucht, wie die mediterrane Stadt am Beispiel dieses Anlasses auftritt und welche Diskurse dabei entstehen. Ein Anlass, der sich an ein „Weltpublikum“ richtet, und die Mythographisierung Genovas wohl erheblich beeinflusst.
Es darf nicht vernachlässigt werden, dass mit dem Schreiben eines urbanen Mythos klar ein Spiel von Identität und Alterität entsteht, das im Fall Genova gerade heute interessant ist. Die Stadt muss sich auf der einen Seite von anderen Städten wie Milano, Venezia oder auch La Valetta, das 2018 Kulturhauptstadt sein wird, unterscheiden. Gleichzeitig kann ein „Zusammengehörigkeitsgefühl“ entstehen, das sich in der Kategorie „Mediterran“ auszudrücken vermag.
Mittels ethnographischer Forschung wird so den heutigen Diskursen nachgegangen, welche um die mythographie-verdächtige Erzählung „Genova“ entstehen und sich in regionalen grenzübergreifenden Kontexten bewegen.

lic. phil. Angela Bhend-Schaffner

Projektleitung: Jacques Picard

Projekt in der Forschungsdatenbank

Mit dem Dissertationsprojekt von Angela Bhend zu "Das Warenhaus in der Schweiz. Eine jüdische Kulturgeschichte 1890-1945" soll ein weitgehend unbekanntes Stück Kulturgeschichte, die von einer jüdischen Minderheit massgeblich mitgeprägt und geschrieben wurde, und die sowohl Aspekte der Wirtschafts- und Migrationsgeschichte als auch der Sozial- und Architekturgeschichte vereint, thematisiert und aufgearbeitet werden.

Bereits 1882 wurde das Warenhaus vom französischen Schriftsteller Emile Zola als Palast, Tempel der Mode und als Kathedrale des neuzeitlichen Handels apostrophiert. Wie kaum etwas anderes symbolisieren diese sakral anmutenden Kaufhaus-Tempel die Folgen der Industrialisierung sowie der Urbanisierung und man kann sie zu Recht als Sinnbild der Moderne bezeichnen. Althergebrachte Handelsformen wurden revolutioniert, die Massenproduktion fand ihren Absatz und der Mensch als Konsument wurde geboren. Die bahnbrechende Idee, Waren aus aller Welt unter einem Dach zu vereinen, ging einher mit der Schaffung einer völlig neuen Gefühls- und Lebenswelt. Die Erfindung des Warenhauses war im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht nur Träger einer neuen Wirtschaftsidee sondern auch Träger einer umfassenden gesellschaftlichen Veränderung.

An der Schwelle zum 20. Jahrhundert erhielt auch die Schweiz ihre ersten Warenhäuser. Fremde Namen wie Julius Brann, Mandowsky, Pilz oder Knopf sind in Vergessenheit geraten, aber auch bekanntere Warenhausnamen wie Loeb, Epa und Manor sind grösstenteils unerforscht geblieben. Doch fremd waren nicht nur die Namen sondern auch die Akteure, die in dieser Geschichte die Hauptrollen besetzten und der Schweiz zu erfolgreichen Warenhäusern verhalfen. Gemäss Erwin Dennenbergs Studie von 1937 sind rund fünfzig Prozent aller Warenhäuser in der Schweiz auf jüdische Gründer zurückzuführen. Bis heute hat aber kaum jemand die Geschichte jener Pioniere, die zumeist aus dem Elsass oder dem süddeutschen Raum stammten, genauer erforscht oder untersucht.


Finanzierung: Other funds
Zeitraum: Beginn: 01. Januar 2014