Aus wissensanthropologischer Perspektive widme ich mich in meinem Dissertationsprojekt Wetterphänomenen in den Bergen. Die Erzählung vom Klimawandel, vom Anthropozän und damit dem menschlichen Einfluss auf die geophysische Umwelt wird in diesem Zusammenhang zentral; lässt unterschiedliche Referenzsysteme aufeinandertreffen und erzeugt neben politisch-ethischen Fragen der Betroffenheit und Verantwortung eine Irritation in Bezug auf Notwendigkeiten und Möglichkeiten des Handelns. Bergwetter verstehe ich dabei als «Anthroposzenen» (Silitoe, 2021). Ich gehe davon aus, dass sich in den als lokal und zeitlich begrenzt verstandenen Wetterphänomenen eine eigentümliche Verquickung zu Klimaphänomenen beobachten und beschreiben lässt, die ihrerseits eine weitergreifendere räumliche und zeitliche Ausdehnung umfassen. Die erzählerischen Dimensionen von Zeitlichkeit und Räumlichkeit sowie die materiellen und symbolischen Figuren, die diese Verhältnisse realisieren und relevant setzen, interessieren mich dabei besonders. Das Erzählen bildet also (und zwar sowohl in Bezug auf das Erzählte wie das noch zu Erzählende) einen ethnographischen Fokus und eine Möglichkeit der Imagination und Spekulation darüber, wie sich Übergänge, Wandel oder Beharrlichkeit gestaltet haben und gestalten lassen. Mein Interesse richtet sich mithin auf unterschiedlichste Erfahrungen von Bergwetter und die damit verbundenen Erzählpraktiken sowie auf die Möglichkeiten und Grenzen diese ethnographisch darzustellen.
Das Projekt ist als heuristisches Labor konzipiert. Ich befrage, erforsche und experimentiere, wie die mehr-als-menschliche Wende, in die diese Untersuchung eingebettet ist, ethnographische Herangehensweisen, deren Arbeitsinstrumente und Darstellungsmodi beeinflusst. Wie in dieser Perspektive «mehr-als-menschliche» Welten jenseits dualistischer Kategorien entstehen, wie sie sich zwischen mannigfaltigen Akteuren* realisieren, wird oft als multipel und fluide, situativ und relational beschrieben. Mich interessieren diese beschreibenden sprachlich-metaphorischen Zusammenhänge, denn sie stellen die ethnographische Forschung vor eine Herausforderung, die – unter anderem – unumgängliche Fragen der Repräsentation, und damit solche der Erzählung und Erzählbarkeit aufwirft: Wie kann dieses Dazwischen als Prozess beschrieben werden, der, materiell und symbolisch zugleich, verschiedene Entitäten als gleichberechtigt berücksichtigt? Und wie kann sich dieses Dazwischen jenseits der klassifikatorischen Pole wie menschlich – nicht-menschlich; lebendig – nicht-lebendig verstehen lassen?
Das Projekt «Berge erzählen» ist Teil des Forschungsclusters Nature – Representations – Materialities und teilt mit Alain Müllers Projekt Re-presenting Mountains: Composing nature between mountain reliefs, comics, and suiseki ein gemeinsames Interesse an den Ontologien, die in konkreten und situierten Praktiken entstehen und umgesetzt werden, und die den «Berg» in seinen verschiedenen Existenzweisen einbeziehen und/oder erfahren.
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