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Einschalten, Sender suchen und die Welt im Ohr haben: Internationales Kurzwellenradio prägte Politik und Alltag im Kalten Krieg.

Patricia Jäggi, ehemalige Doktorandin am Seminar für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie, derzeit Forscherin an der Hochschule Luzern – Musik, hat sich mit der Frage befasst, wie dieses globale Medium das damalige Hör-Erlebnis geprägt hat und ihre Erkenntnisse in der Publikation «Im Rauschen der Schweizer Alpen» veröffentlicht.

Das Kurzwellenradio war ein wichtiges Medium der Schweizer Kulturpolitik in der konfliktreichen Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Ob spektakuläre Live-Schaltung vom Matterhorngipfel im Jahr 1950, Johanna Spyris «Heidi» als arabische Hörserie von 1968 oder ein touristisches Feature zu waghalsigen Sportarten wie Skiakrobatik, Deltafliegen oder Bobtaxifahren für ein junges, risikofreudiges Publikum aus dem Jahr 1975: «Die Alpen als Identitätsstifter für die Schweiz sind augenfällig oft im Schweizer Kurzwellenradio der Nachkriegszeit thematisiert worden», erklärt Patricia Jäggi, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Luzern – Musik.
Für ihre Dissertation am Seminar für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie der Universität Basel befasste sie sich mit der Frage, wie die Sendungen des Schweizer Kurzwellenradios beim internationalen Publikum ankamen. Ihre Forschungsarbeit hat Patricia Jäggi an der Hochschule Luzern weitergeführt und nun im Buch «Im Rauschen der Schweizer Alpen» (transcript Verlag) publiziert. Sie sagt: «Das Kurzwellenradio wurde in Bezug auf politisch-ideologische Einflüsse bereits untersucht. Bei meiner Arbeit steht aber das eigentliche Hör-Erleben im Vordergrund.» Mit ihren akustisch aufwendig inszenierten Programmen hätten Sender wie der Schweizerische Kurzwellendienst ihrer weltweiten Hörerschaft ganz neue auditive Erlebnisse geboten, so Jäggi.
Stammt das Rauschen vom Matterhorn oder vom Radiogerät?
Bei ihrer Untersuchung folgte die Forscherin den akustischen Spuren und Eindrücken, die das international ausgestrahlte Radioprogramm damals beim Publikum hinterliess. Dazu versetzte sich Patricia Jäggi in die Rolle von Radiohörerinnen und -hörern und rekonstruierte deren Erleben auf Basis von Archivmaterial sowie nachgestellter technischer Übermittlung der historischen Empfangsapparate. Sie bezog dabei die technische Brüchigkeit eines Kurzwellensenders mit ein. «Nicht nur der eigentliche Sendungsinhalt, sondern auch die damals typischen Störgeräusche aus dem Äther spielten eine Rolle für die kulturelle Wahrnehmung eines Landes», erklärt Jäggi. «So zeugt das Rauschen der Live-Sendung vom Matterhorngipfel, die weltweit empfangen wurde, nicht nur von einer alpinistischen Leistung, sondern steht auch für Innovation und die technologische Befähigung der Schweiz.» Der Fortschritt sei zusehends wichtiger im Bild der Schweiz nach dem 2. Weltkrieg geworden, dies hätte sich in den alpinen Sendungen gezeigt. «Das heisst aber nicht, dass eine Heidi, die Arabisch spricht und jodelt, darin nicht auch noch Platz gefunden hätte», sagt Jäggi.
Die Veröffentlichung von «Im Rauschen der Schweizer Alpen» wurde vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt. Das Buch ist als gebundene Ausgabe erhältlich (ISBN: 978-3-8376-5164-5). Zudem steht es auf der Website des transcript Verlags als Open-Access-PDF zum Download zur Verfügung. Dort finden sich auch Hörbeispiele ausgewählter Sendungen des Schweizer internationalen Radios.

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